MIM-Varianten (vormals "PSSM2")
Sechs genetische Varianten, die die Muskelstruktur und/oder -funktion beeinträchtigen können, wurden bei Pferden mit Symptomen einer Belastungsmyopathie identifiziert. Diese so genannten "P-Varianten" und die “K1-Variante”, die zuvor als Subtypen von PSSM2 beschrieben wurden, werden nun richtigerweise als Muskel-Integritäts-Myopathien eingestuft.
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MYOT (P2)
Das Gen MYOT kodiert das Strukturprotein Myotilin, das eine wichtige Rolle bei der Stabilität der dünnen Filamente während der Muskelkontraktion spielt. Myotilin bindet F-Aktin und vernetzt Aktinfilamente. Beim Menschen führen Mutationen in Myotilin zu MFM3 (Myofibrilläre Myopathie 3). Die Krankheit ist sehr selten, tritt im Alter zwischen 50 und 77 Jahren ein, Hauptsymptome sind eine fortschreitende Schwäche der distalen Muskulatur und eine periphere Neuropathie. Beim Pferd bewirkt die Mutation MYOT, chr14:37,818,823 A/G im orthologen Gen einen Aminsoäureaustausch, der die Bindung des varianten Myotilins an Aktin beeinträchtigt.
FLNC (P3)
Das Gen Filamin C (FLNC, equine mutation P3) kodiert ein Aktin-bindendes Protein, das an der Verbindung von Aktinfilament und Z-Scheibe beteiligt ist. Die Z-Scheibe begrenzt die Sarkomere innerhalb einer Myofibrille. Das mischerbige Vorhandensein des defekten Gens führt zu einem teilweisen Funktionsverlust. Beim Menschen werden Mutationen im FLNC-Gen mit der Myofibrillären Myopathie 5 (MFM5) in Verbindung gebracht, einer bei Erwachsenen auftretenden Krankheit mit fortschreitender Skelettmuskelschwäche, die manchmal auch die Atemwege und das Herz betrifft. Die Veränderungen in der Biopsie hängen stark vom untersuchten Muskel und dem Stadium der Erkrankung ab.
MYOZ3 (P4)
Myozenine gelten als intrazelluläre Bindungsproteine für die Verknüpfung von anderen Proteinen, die an der Z-Scheibe aktiv sind (a-Alpha-Aktin, g-Filamin, TCAP/Telethonin, LDB3/ZASP). Darüber hinaus spielt Myozenin 3 bei der Wirkung von Calcineurin auf das Sarkomer eine bedeutende Rolle. Beim Menschen sind bisher keine Mutationen beschrieben, die zu einer Veränderung des kodierten Proteins führen würden. Die Mutation bei Pferden P4 ist chr14:26,710,261 G/A.
PYROXD1 (P8)
Das PYROXD1-Gen (Pyridin-Nukleotid-Disulfid-Oxidoreduktase-Domäne 1) kodiert ein Protein, das für die Abwehr von Sauerstoffradikalen (ROS) wichtig ist. Solche Radikale entstehen fortlaufend während des normalen Zellstoffwechsels und im Rahmen der interzellulären Signalübertragung. Damit diese ROS nicht die DNA schädigen, müssen sie abgefangen und neutralisiert werden. Das vom Gen PYROXD1 codierte Protein ist ein solches antioxidatives Molekül und damit essentieller Bestandteil des Abwehrsystems, um den oxidativen Stress zu mindern.
Beim Menschen führen Mutationen in PYROXD1 zur myofibrillären Myopathie 8 (MFM8), die sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen auftreten kann. Sie ist durch langsam fortschreitenden proximalen Muskelschwund und Schwäche gekennzeichnet. Die Mutation beim Pferd (chr6:48.924.749 G/C) verursacht eine Aminosäuresubstitution an einer hochkonservierten Stelle im PYROXD1-Protein und reduziert dessen Funktionalität.
Die Bedeutung wird unterstützt durch Experimente an Modellorganismen. In Hefezellen führen gezielte Mutationen im PYROXD1-Gen zu einer Verringerung der Reduktaseaktivität; die besondere Bedeutung in der Muskulatur zeigen Zebrafisch-Knockdown-Modelle. Die Ausschaltung von PYROXD1 bewirkt eine verminderte Schwimmfähigkeit.
CACNA2D3 (Px)
Das Gen CACNA2D3 (Calcium voltage-gated channel auxiliary subunit alpha2 delta 3 (equine mutation Px: chr16: 34635494 T/C) kodiert ein Protein, das Teil einer regulatorischen Untereinheit des Calciumkanals DHPR (Dihydropyridinrezeptor) ist, der die Signalgebung zur Auslösung von Muskelkontraktionen mitreguliert. In Zusammenhang mit MIM (PSSM2) scheint die Px-Variante die Effekte anderer Varianten zu verschlimmern.
Die Px-Mutation bewirkt keine Änderung im codierten Protein; vermutet wird entweder eine direkte Wirkung über die Modulation von Spleißmechanismen oder die Px-Mutation wäre ein indirekter Marker einer gekoppelten pathogenen Mutation. Px gilt in mehreren Vollblut- und Araberpferdefamilien als Risikofaktor für eine rezidivierende Belastungs-Rhabdomyolyse (RER).
COLA6A3 (K1)
Das Gen COLA6A3 kodiert für das Protein Kollagen-Typ 6, alpha 3. Das kettenartige Molekül verbindet sich mit zwei ähnlich aufgebauten Proteinen zu einem Kollagen-Typ 6 (COL6) Molekül. COL6 ist ein primäres Strukturprotein der extrazellulären Matrix im gesamten Körper, das vor allem in Fibroblasten synthetisiert wird. In den Muskeln ist COL6 ein Schlüsselprotein des Endomysiums. Die klinischen Symptome eines COL6-Defekts hängen davon ab, welchen Effekt eventuelle Mutationen in den COL6-Genen haben.
Beim Menschen ist eine Vielzahl Erbkrankheiten bekannt, die durch Defekte im COL6-Kollagen hervorgerufen werden; darunter die Bethlem Myopathie und kongenitale Ullrich-Muskeldystrophie, bei denen, wie bei der K1-Variante bei Pferden, das Gen COL6A3 defekt ist.
Bei Pferd führt die K1-Variante (equine Mutation K1: chr6:23.416.882 C/G) zum Austausch einer einzelnen Aminosäure im COLA6A3 Protein; in der Folge ist die Verbindung der 3 Untereinheiten gestört, so dass ein aberrantes, nicht voll funktionsfähiges COL6-Kollagen gebildet wird.