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Multi Drug Resistance (MDR1 Hund)

Die MDR1-Defizienz wird durch eine 4-bp-Deletion (nt230(del4)) im ABCB1-Gen verursacht. Die Mutation führt zum vollständigen Funktionsverlust des durch ABCB1 codierten P-Glykoproteins. Dieses ist als 'Efflux'-Transportprotein ein wichtiger Bestandteil der Blut-Hirn-Schranke. Ohne seine Schutzfunktion gelangen bestimmte Arzneistoffe (z.B. Ivermectin, Doramectin, Moxidectin oder Loperamid) ungehindert ins ZNS, was neurotoxische Reaktionen auslösen kann. Das Risiko ist stark rasseabhängig – in Collies, Australian Shepherds und Shetland Sheepdogs ist die Mutation häufig, in einer allgemeinen Klinikpopulation dagegen selten (0,2 % Allelfrequenz). Die Genotypisierung vor der Gabe potenziell gefährlicher Medikamente wird für Risikorassen dringend empfohlen.

Symptome

Bei homozygot betroffenen Hunden (mdr1/mdr1) können bereits therapeutische Standarddosen von Stoffen, die als Substrat für das P-Glycoprotein  durch das P-gp-Substraten wie Ivermectin, Loperamid oder bestimmten Zytostatika schwere neurologische Symptome hervorrufen: Ataxie, Lethargie, Tremor, Krampfanfälle, Mydriasis, Blindheit bis hin zum Koma.

Heterozygote (n/mdr1) Tiere zeigen meist keine Symptome, können jedoch unter bestimmten Bedingungen (hohe Dosierung, spezifische Substanzen wie Vincristin) ebenfalls Nebenwirkungen entwickeln.

Entstehung der MDR1

Das mutierte ABCB1-Gen codiert ein verkürztes, nicht funktionstüchtiges P-Glykoprotein. Dieses ATP-abhängige Transportprotein pumpt normalerweise lipophile Fremdsubstanzen (Xenobiotika) aus Zellen und ist eine wichtige Komponente der Blut-Hirn-Schranke, in dem es so das Eindringen potentiell toxischer Substanzen ins Gehirn verhindert. Fehlt diese Funktion, reichern sich die Wirkstoffe, die als Substrat des P-Glykoproteins verarbeitet werden, im Zentralnervensystem an und verursachen die neurotoxischen Schäden. 

Beteiligtes Gen | DNA-Test

Gen: ABCB1 
Mutation: nt230(del4), 4-bp-Deletion in Exon 4. Verändert den Leserahmen und führt zu einem vorzeitigen Stopcodon
DNA-Test-Methode: qPCR mit Dual-Sonden oder PCR + Sanger-Sequenzierung


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Betroffene Rassen, Medikamente und Risikokategorien

Die ABCB1‑1Δ‑Mutation tritt vor allem in klassischen „Herding Breeds“ häufig auf: Collies, Australian Shepherds und Shetland Sheepdogs. Neuere Studien weisen darauf hin, dass in den anderen Rassen das gelegentliche Vorkommen auf einzelne Einkreuzungen der Hochrisiko-Rassen zurückzuführen ist.

Übersicht zu 'MDR1'-Medikamenten und Empfehlung
KategorieWirkstoff (Beispiele)Bemerkung / Hinweise
VermeidenMakrozyklische Laktone in hoher Dosis (Ivermectin > 100 µg/kg, Doramectin, Moxidectin > 3 µg/kg, Selamectin bei Überdosierung) 
Loperamid
Acepromazin
Butorphanol
Zytostatika: Vincristin, Vinblastin, Doxorubicin, Paclitaxel, Docetaxel
hohes Risiko für mdr1/mdr1 mit lebensbedrohlicher Neurotixizität. 
Keine Anwendung bei mdr1/mdr1.
Geringere Dosis mit großer Vorschicht bei n/mdr1.
Nur mit Vorsicht und DosisanpassungMilbemycinoxim (hochdosiert) 
Cyclosporin A, Tacrolimus
Digoxin, Quinidin
Ondansetron, Verapamil
Bestimmte Fluorchinolone: Sparfloxacin, Grepafloxacin
Dosisreduktion und engmaschige Überwachung empfohlen. Risiko steigt mit Dosis und bei mdr1/mdr1-Genotyp.
In üblicher Dosis sicherMakrozyklische Laktone in niedriger Dosis zur Herz­wurmprophylaxe (Ivermectin ≤ 6 µg/kg, Moxidectin ≤ 3 µg/kg) 
Nicht-P-gp-Substrate (z. B. viele β-Lactam-Antibiotika, NSAIDs, Kortikosteroide außer in sehr hohen Dosen)
bezogen auf MDR1. Andere Unverträglichkeiten möglich. Immer aktuelle Fachinfo prüfen.

Genotyp und Laborbefund

Genotyp: N/N = normal - frei, Wildtyp

Der Hund hat in beiden Kopien des ABCB1-Gens die Wildtyp-Variante der untersuchten Mutation. Es besteht keine durch die Mutation hervorgerufene Empfindlichkeit gegenüber den problematischen Arzneimitteln. Die Nachkommen des untersuchten Tieres werden nur intakte Erbanlagen vererbt bekommen. 
 

N/mdr1 = Träger -  potenziell erhöhte Empfindlichkeit

Der Hund hat eine Genkopie, die von der Mutation betroffen ist. Diese defekte Variante wird zu 50% an die Nachkommen weitergegeben werden. 
Trägertiere können bei hoher Dosierung bestimmter Medikamente Symptome zeigen (Details bitte im Online-Lexikon nachschlagen).
 

mdr1/mdr1= betroffen - hohes Risiko für Toxizität

Beide Genkopien des ABCB1 tragen die Mutation wodurch dessen Funktion nicht zur Verfügung steht. Medikamente, die zur Risikogruppe gehören, sind kontraindiziert oder erfordern eine starke Dosisreduktion, (Details bitte im Online-Lexikon nachschlagen). Alle Nachkommen des untersuchten Tieres werden eine Defektkopie vererbt bekommen.

Empfehlungen

Tiere der Risikorassen sollten bei unbekanntem Genstatus  der Eltertiere vor der Medikation auf Vorhandensein der MDR1-Variante getestet werden. Tiere anderer Rassen, die nachgewiesen rein gezüchtet sind, haben eine geringe Allelhäufigkeit. Bei diesen sowie Mischlingen wäre der DNA-Test sinnvoll, um etwaige Komplikationen durch die genannten Medikamente auszuschließen. 

Literatur

Mealey, KL., Bentjen, SA., Gay, JM., Cantor, GH.: Ivermectin sensitivity in collies is associated with a deletion mutation of the mdr1 gene. Pharmacogenetics 11:727-33, 2001. Pubmed reference: 11692082.

 

Mealey, K.L., Meurs, K.M.: Breed distribution of the ABCB1-1Delta (multidrug sensitivity) polymorphism among dogs undergoing ABCB1 genotyping. J Am Vet Med Assoc 233:921-4, 2008. Pubmed reference: 18795852. DOI: 10.2460/javma.233.6.921.

 

Myers, M.J., Martinez, M., Li, F., Howard, K., Yancy, H.F., Troutman, L., Sharkey, M.: Impact of ABCB1 genotype in Collies on the pharmacokinetics of R- and S-fexofenadine. J Vet Pharmacol Ther 41:805-814, 2018. Pubmed reference: 30020547. DOI: 10.1111/jvp.12696.


Beckers E. et al. (2022) The prevalence of the ABCB1-1Δ variant in a clinical veterinary setting: The risk of not genotyping. PLoS ONE 17(8): e0273706. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0273706

 

Weitere Informationen sind auf der Webseite Online Mendelian Inheritance in Animals verfügbar.

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