CMM1 - Congenital Mirror Movement disorder 1
Bei Säugetieren wird jede Körperseite von der gegenüberliegenden Hirnhälfte gesteuert. Damit Bewegungen koordiniert ablaufen, müssen die Nervenbahnen im Rückenmark strikt so geführt werden, dass sie ausschließlich die jeweilige Körperseite erreichen. Eine Frameshift-Mutation im Gen EFNB3 führt bei reinerbigem Vorliegen (2 defekte Genkopien) zum Verlust dieser strikten zweiseitigen Trennung. Die Nervenbahnen zur Bewegung der Hintergliedmaßen kreuzen sich in der Mittellinie erneut, wodurch beide Körperseiten gleichzeitig angesteuert werden. Betroffene Tiere sind dann nicht in der Lage sind, ihre Hinterbeine unabhängig voneinander zu bewegen. Dies führt zu einem typischen, beidbeinigen Hüpfen wie bei Kaninchen führt (engl. "Bunny-Hopping“).
CMM1 wird autosomal-rezessiv vererbt und ist bislang ausschließlich bei Hunden der Rasse Weimaraner beschrieben worden.
Klinische Symptome - Prognose
Klinisch auffällig werden nur Tiere, bei denen beide Kopien des EFNB3-Gens die Mutation aufweisen und dadurch ihre Aufgabe nicht erfüllen könne. Erste Symptome treten auf, sobald die Welpen versuchen sich selbsständig koordiniert zu bewegen, ca. ab der 2. bis 4. Lebenswoche.
Typische Anzeichen sind:
- Synchronisierte Bewegungen der Hinterbeine, das aussieht wie das Hoppeln von Kaninchen.
- Unfähigkeit, Hinterbeine unabhängig voneinander zu bewegen
- Schwierigkeiten beim Aufstehen und vermehrtes Stolpern
- Bewegungsstörung bleibt auch beim älter werden bestehen.
- Keine Auffälligkeiten im Verhalten oder in der Aufmerksamkeit des betroffenen Tieres.
Schweregrad:
- Je nach Ausprägung kann das Gangbild unterschiedlich stark beeinträchtigt sein; schwer betroffene Welpen können sich nur hüpfend fortbewegen und haben Probleme beim normalen Gehen oder Laufen.
- Die Störung kann sich auf alle Gliedmaßen auswirken, die sich als Lähmung in allen 4 Beine zeigt (Tetraparese).
CMM1 ist nicht heilbar. Aufgrund des mit der Erkrankung einhergehenden Leidens erfolgt in der Regel die frühzeitige Euthanasie.
Entstehung der CMM1
Bei Säugetieren steuert jeweils eine Hirnhälfte die Motorik der gegenüberliegenden Körperseite (z. B. linke Hirnhälfte > rechte Körperhälfte). Die Zellkörper der für die bewusste Bewegung zuständigen Motoneurone liegen dabei im Gehirn, die Muskulatur wird über von den Zellen ausgehende Nervenbahnen (Axone) angesteuert.
Für die koordinierte Steuerung der Bewegung müssen während der Entwicklung die vom Gehirn ausgehenden motorischen Nervenbahnen im Rückenmark strikt getrennt bleiben und nur die Muskeln der richtigen Körperhälfte innervieren.
Das Gen EFNB3 kodiert das Protein Ephrin-B3. Dieses hat während der Embryonalentwicklung des Nervensystems eine entscheidenden Rolle, damit die vom Gehirn abgehenden Nerven (Axone) korrekt im Rückenmark zu den richtigen Muskeln der jeweiligen Körperhälfte geführt werden. Zu diesem Zweck bilden Ephrin-B3-Proteine eine Barriere entlang der Mittellinie des Rückenmarks, die verhindert, dass die Nervenbahnen bei ihrem Wachstum erneut die Mittellinie kreuzen.
Liegt die Mutation reinerbig vor, kann die Barriere nicht gebildet werden, so dass die Axone unkoordiniert die Muskulatur beider Körperseiten innervieren. Nervenimpulse der Motoneurone gelangen damit gleichzeitig in beide Körperseiten, wodurch sich beide Körperseiten synchron bewegen.
Mutation und DNA-Test
Die zugrundeliegende genetische Ursache wurde als eine 2-bp-Duplikation in EFNB3 identifiziert.
Diese Variante (XM_038536724.1:c.643_644dup) führt erwartungsgemäß zu einem Frameshift und der Einführung eines vorzeitigen Stoppcodons XP_038392652.1:p.(Ala216Valfs*79).
Der Mutationstest weist die Zwei-Basen-Paar-Duplikation (c.643_644dup) im EFNB3-Gen nach.
Betroffene Rassen
Die c.643_644dup-Mutation im EFNB3-Gen ist bisher nur bei Hunden der Rasse Weimaraner beschrieben und kann auf ein Ursprungstier dieser Rasse zurückgeführt werden.
Das Vorkommen wäre damit auf Hunde der Rasse Weimaraner beschränkt. Die Genvariante kann jedoch auch in Mischlingen vorkommen, bei denen 'Weimaraner' beteiligt gewesen sind.
Laborbefunde und deren Aussagen
Genotyp-Befund: N/N = gesund - reinerbig frei
Der untersuchte Hund weist in beiden Kopien des EFNB3-Gens die c.643_644dup - Mutation nicht auf.
Die Erbkrankheit CMM1 wird bei diesem Hund nicht auftreten und wird auch nicht vererbt. In der Zucht kann der Hund mit beliebigen anderen Hunden (N/N oder N/cmm1) verpaart werden, ohne dass Nachkommen von CMM1 betroffen sein würden.
Bei einer Anpassung mit einem Trägertier (N/cmm1) wären im Mittel 50% der Nachkommen Trägertiere, die jedoch alle aufgrund der rezessiven Vererbung gesund wären.
Genotyp-Befund: N/cmm1 = gesund - mischerbig
Der untersuchte Hund weist in einem der beiden EFNB3-Gene die c.643_644dup - Mutation auf. Die andere Kopie ist hierfür normal. Der Hund selbst wird CMM1 nicht entwickeln, würde die Variante jedoch mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % an seine Nachkommen weitergeben. Mischerbige CMM1-Träger dürfen nur mit Tieren angepaart werden, die reinerbig frei (N/N) von der Variante sind.
Genotyp-Befund: cmm1/cmm1 = betroffen - reinerbig für die Mutation
Beide Kopien des EFNB3-Gens weisen die c.643_644dup - Mutation auf. Betroffene Hunde zeigen die CMM1-Symptomatik bereits im frühen Welpenalter. Eine Therapie ist nicht möglich.
Literatur
- Schwarz, C., Bartenschlager, F., Kershaw, O., Braun, J., Guevar, J., Jagannathan, V., Epplen, J. T., Reineking, W., Baumgärtner, W., Bhatia, K. P., Gruber, A. D., & Leeb, T. (2025). EFNB3 frameshift variant in Weimaraner dogs with a condition resembling a congenital mirror movement disorder. Movement Disorders, Advance online publication. https://doi.org/10.1002/mds.30243
- Online Mendelian Inheritance: https://www.omia.org/OMIA002353/9615/)