Equines Turner Syndrom
Das Turner-Syndrom beim Pferd ist eine Chromosomenstörung, bei der betroffene Stuten nur ein X-Chromosom (XO-Karyotyp) statt der üblichen zwei (XX bei Stuten) besitzen. Typische Merkmale sind unterentwickelte Eierstöcke (Gonadendysgenesie) und Unfruchtbarkeit. Weitere Symptome können kleinere Körpergröße und schwach ausgeprägte sekundäre Geschlechtsmerkmale sein. Die Diagnose erfolgt bisher nur durch eine Karyotypisierung, bei der das fehlende X-Chromosom nachgewiesen wird. Mit der Verfügbarkeit der SNP-array-basierten Kartierung kann die Untersuchung einfach als DNA-Test ausgeführt werden.
Pferde mit dem Turner-Syndrom können in der Regel ein normales Leben führen, sind jedoch in ihrer Fortpflanzungsfähigkeit stark eingeschränkt. Die Erkrankung entsteht durch Fehler bei der Zellteilung und ist nicht erblich.
Eine frühzeitige Diagnose hilft, die Erwartungen hinsichtlich Wachstum und Zuchteignung zu steuern; unterstützende Maßnahmen können die Lebensqualität der betroffenen Tiere verbessern, sofern diese eingeschränkt sein sollte.
Genetik des equinen Turner Syndroms
Normal entwickelte Pferde verfügen über 32 Chromosomenpaare. 31 Paare sind ‘Autosomen’, dazu kommen die Geschlechtschromosomen (Gonosomen). Normale weibliche Tiere haben als Gonosomen 2 X-Chromosomen (Karyotyp 64, XX), Hengste haben 1 X Chromosom und 1 Y-Chromosom (Karyotyp 64, XY).
Beim equinen Turner Syndrom fehlt eines der X Chromosomen oder zumindest die wesentlichen Abschnitte davon. Das Pferd hat den Karyotyp 63,X0 (X‑Monosomie).
Die Ursache ist eine unvollständige Aufteilung der Chromosomenpaare entweder in der Meiose im Rahmen der Reifeteilung (Bildung der Keimzellen) oder bei den mitotischen Zellteilungen in der Embryonalentwicklung.
Beim Menschen liegt die Häufigkeit bei 1 zu 2.500. Zu Pferden sind bisher keine Studien zum Vorkommen erfolgt. Es wird jedoch vermutet, dass das eTS des X-Chromosoms mangels einfacher Diagnosemöglichkeiten eine unterschätzte Ursache für die Unfruchtbarkeit bei Stuten ist.
Auswirkungen auf den Phänotyp
Äußeres Erscheinungsbild:
meist normale äußere Genitalien und normales Fell, gelegentlich etwas kleinerer Körperbau.
Reproduktionsorgane:
kleine, infantile Ovarien (< 1 cm), undeutliche oder unreife Gebärmutter, keine normalen Eileiterstrukturen.
Verhalten:
häufig Anöstrus (kein Zyklus) oder unregelmäßige Rosse; einzelne passive Rossephänomene sind möglich.
Fertilität:
überwiegend steril. Selten bei geringradigen Mosaikformen begrenzte Fruchtbarkeit
Klinische Diagnostik
Vorbericht:
fehlende Zyklizität und chronische Infertilität bei normalem äußeren Erscheinungsbild.
Untersuchung:
Palpation per rectum und/oder transrektaler Ultraschall zur Beurteilung von Ovargröße und Ausbildung der Eileiter.
Bluttests/Hormonanalysen:
häufig niedrige Östrogen- und Progesteronwerte, erhöhte LH/FSH Werte sind möglich.
Differentialdiagnostik:
kleine Ovarien sind unspezifische Befunde und werden beobachtet bei saisonaler Anöstrie, präpubertären Stuten oder hormoneller Dysregulationen. Die Unterscheidung erfolgt durch Anamnese, saisonale Einordnung, hormonelle Diagnostik und genetische Analysen.
Genetische Tests - Chromosomenanalytik
Chromosomenanalyse (Karyotypisierung):
Hierbei werden nach Anlegen einer Zellkultur die Chromosomen in ihrer Makrostruktur als Ganzes sichtbar gemacht. Das erstellte Karyogramm zeigt die Anzahl der Chromosomen und deren Aufbau bis zu einer gewissen Auflösung.
Diese Analyse ist aufwändig, entsprechend teuer und nur durch darauf spezialisierte Labore durchführbar.
Molekulargenetische Analytik:
Mit dem SNP-array-basierten DNA-Test zum Equinen Turner-Syndrom steht eine einfache diagnostische Methode zur Verfügung, die isoliert oder als Ergänzung zu anderen DNA-basierten Untersuchungen aus einer Haarwurzelprobe ausgeführt werden kann.
Anwendung des DNA-Tests
- Ausschluss des X0-Karyotyps in der Ankaufsuntersuchung
- Ergänzende Diagnostik bei Infertilität der Stute
Literatur
Prakash, S., Guo, D., Maslen, C. et al. Single-nucleotide polymorphism array genotyping is equivalent to metaphase cytogenetics for diagnosis of Turner syndrome. Genet Med 16, 53–59 (2014). https://doi.org/10.1038/gim.2013.77